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Heinrich-Theissing-Institut Schwerin  >  Publikationen  >  Artikel  >  Was Dokumente berichten  >  Artikelserie zum Gedenken an Dr.Bernhard Schräder (6)

(6) Jugend , erste Priesterjahre, Pfarrer in Schwerin (1900 bis 1945)

Pfarrer Bernhard Schräder
Bild Pfarrer Bernhard Schräder

Der Name „Schräder“ kommt von „schroten“. Vorfahren Bernhard Schräders lebten seit Jahrhunderten als Besitzer einer Windmühle in Restrup bei Telgte im Münsterland. Ein Großvater des späteren Weihbischofs war noch Müller.

Bernhard Schräder wurde am 26. September 1900 als viertes Kind des gleichnamigen Bahnhofsvorstehers in Hörstel (Kreis Tecklenburg, Westfalen) geboren. Maria war die älteste der insgesamt fünf Geschwister, dann folgten vier Jungen. Mit seinem älteren Bruder Paul verband Bernhard lebenslang eine besondere Freundschaft. Seine Mutter Berta Schräder, geborene Wöbker, verstarb früh; sein ältester Bruder Franz fiel im ersten Weltkrieg.
Der Vater wurde aufgrund seines Berufes einige Male dienstversetzt, so dass die Familie an häufig wechselnden Wohnorten lebte. Während seiner Schulzeit in Lingen und auch am Gymnasium Carolinum in Osnabrück war Bernhard Schräder - wie alle seine Brüder auch - Mitglied im „Quickborn“. Nach dem Abitur im Sommer 1918 zog man ihn zum deutschen Heer ein, jedoch blieb ihm ein Fronteinsatz erspart.
Zwei der Schräder-Brüder hatten ihre Spitznahmen nach der Haarfarbe: Paul wurde „der Schwarze“ genannt; Bernhard „der Rote“.  Die Katholiken in Mecklenburg hatten später kaum noch die Möglichkeit, das nachprüfen. Im Kreise der Familie bekam Bernhard Schräder bald einen weiteren Spitznamen: Seine Nichten und Neffen nannten ihn liebevoll : Onkel Birne.

Bernhard Schräder begann 1919 in Münster Altphilologie und Nationalökonomie zu studieren. Bereits zum Wintersemester 1919/20 wechselte er nach Hamburg, ab Sommersemester 1920 ging er nach Freiburg im Breisgau. Dort studierte er 4 Semester Nationalökonomie und 5 Semester Theologie. In Freiburg war er zusammen mit seinem Bruder Paul in der Studentenverbindung „Unitas ecadia“ aktiv. 1924 wurde er zum Doktor rer. pol. promoviert. Danach wandte er sich ganz dem Theologiestudium zu und ging im gleichen Jahr nach Fulda ins Priesterseminar.

Im Dezember 1926 empfing er im Dom zu Osnabrück die Priesterweihe. Seine Begeisterung für diesen Beruf zeigt ein Brief, in dem er im September 1926 schrieb: „[...] ich bin krank vor Verlangen, meine Kräfte austoben und sie in den Dienst einer wertvollen Sache stellen zu können, aber noch fehlt der Funke, der sie zur Entladung bringt. Ich erwarte alles von der Praxis, vom Beruf [...]“

Gleich zu Beginn des Jahres 1927 übernahm der frischgeweihte Priester für einige Monate in Stadthagen die Vertretung des erkrankten Pfarrers. Im April 1927 trat er seine erste Kaplansstelle in Neumünster an. 1931 wurde Schräder Kaplan in Nordhorn. Mit Wirkung vom 15. Januar 1936 ernannte ihn der Osnabrücker Bischof Dr. Wilhelm Berning zum Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Anna in Schwerin.

Die Versetzung in die Diaspora des protestantischen Mecklenburg war für katholische Geistliche eine besondere Herausforderung. So schreibt Dr. Bernhard Schräder über seine Ernennung zum Pfarrer von Schwerin in einem Brief aus dem Jahre 1959:  „Einige ältere Geistliche hatten schon abgelehnt. Das erfuhr ich aber erst später. Die Pfarrei Schwerin war damals für 316 Ortschaften zuständig. In den meisten davon gab es aber gar keine Katholiken. Das Pfarrhaus in Schwerin war schon im Jahre 1926 [...] als `das schlechteste Pfarrhaus Deutschlands´ verschimpfiert worden.“ Die Schweriner Gemeinde allerdings bereitete ihrem neuen Pfarrer einen herzlichen Empfang, über den auch die regionale Presse berichtete.

Dr. Bernhard Schräder übernahm die Verantwortung für die Schweriner Pfarrei in einer Zeit, als  die katholische Kirche durch den NS-Staat zunehmend in Bedrängnis geriet. In Rostock war der dortige Pfarrer Msgr. Wilhelm Leffers bereits 1935 nach dem Heimtückegesetz zu eineinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Vergebens versuchte Schräder im Jahre 1939, die willkürliche Schließung der katholischen Schule in Schwerin zu verhindern. Ebenso traf es ihn, als im gleichen Jahr auch der katholische Kindergarten geschlossen wurde. In den sonntäglich vor der Gemeinde verlesenen Proklamationen rief Pfarrer Dr. Schräder  immer wieder die Eltern auf, ihre jetzt auf andere Schulen verteilten Kinder zum neuorganisierten außerschulischen Religionsunterricht in kircheneigene Räume zu schicken.

Die Gemeinde wurde mehrmals im Monat zum Besuch aufbauender Vorträge eingeladen, in denen die NS-Ideologie öffentlich kritisiert wurde. Diese Vorträge ließ der Pfarrer meist von Jesuiten halten. Öffentlich angekündigt wurde auch, wenn der Vortrag ausfallen musste, weil der jeweilige Pater "Redeverbot erhalten hat". Immer wieder rief Schräder zum Gebet „um die Wiedervereinigung der im Glauben getrennten Christen“ auf, da ihm dieses „angesichts der religiösen Kämpfe unserer Zeit [...] als ein besonders wichtiges Anliegen“ erschien .

Gleich zu Kriegsbeginn kam es zu Einschränkungen im normalen Lebensalltag der Zivilbevölkerung. Besonders betroffen war die Seelsorge der zerstreut lebenden Katholiken in Mecklenburg. Treibstoffe für Kraftfahrzeuge waren streng limitiert und bald wurde die Stilllegung von Pkw und Kleinkrafträdern verordnet. Wegen zu befürchtendem Luftalarm durften Gottesdienste nicht mehr nach Anbruch der Dunkelheit durchgeführt werden. Im Oktober 1940 wurde das Glockengeläut am Sonntagmorgen verboten, wenn in der Nacht zuvor Fliegeralarm war.

Die Repressionen des NS-Staates gegen die katholische Kirche machten vor dem Schweriner Pfarrhaus nicht halt. Im Februar 1939 wurde der Schweriner Vikar Leopold Wiemker aufgrund einer Denunziation verhaftet. Trotz aller Bemühungen konnte Pfarrer Dr. Schräder nicht verhindern, dass sein Vikar viele Monate in Schwerin und Bützow inhaftiert war und schließlich bis 1945 ins KZ Dachau kam.

Die Schweriner Gemeinde wandelte sich innerhalb weniger Jahre in Zusammensetzung und Größe. So gibt der Pfarrer im Missionsbericht 1938 die Zahl der Katholiken im Zuständigkeitsbereich der Schweriner Gemeinde mit ca. 4500 an, wobei 500 Gläubige als „vorübergehend ansässig“ gezählt werden. Im Missionsbericht 1941 ist die Katholikenzahl auf fast 8.000 gestiegen; vor allem durch den starken Zuwachs bei den „Vorübergehend Ansässigen“ (3.500 Polen und Kriegsgefangene).

In Mecklenburg waren viele Zwangsarbeiter aus Polen und auch Kriegsgefangene in Arbeitslagern untergebracht. Für die Katholiken unter ihnen übernahm Pfarrer Dr. Schräder mit seinen Kaplänen die Seelsorge. Ab 1940 untersagte der NS-Staat polnischen Zwangsarbeitern die Teilnahme an deutschen Gottesdiensten. Selbst in den Arbeitslagern durfte während der heiligen Messe nur deutsch gesprochen werden.. Auch polnische Lieder waren verboten. Behörden, Gestapo und eifrige NS-Genossen versuchten zunehmend, die Seelsorge an den ausländischen Katholiken zu verhindern.

Der Schweriner Pfarrer  ließ keinen Zweifel daran, dass er den Krieg nicht gutheißen konnte. Schon zu Kriegsbeginn fiel auf, dass Schräder „für die in diesem Kriege Gefallenen“ beten ließ (nicht nur für die gefallenen Deutschen!) und von denen sprach, „die Soldat werden müssen“. Dringend lud er die Jugend der Gemeinde alljährlich zum Bekenntnistag am Dreifaltigkeitssonntag ein. Seit September 1939 wurden jeden Abend in der Schweriner Pfarrkirche der Rosenkranz für den Frieden gebetet.

Der Krieg hinterließ auch in der Schweriner katholischen Gemeinde bald seine Spuren. Im Juni 1941 wurde ein Requiem für den ersten „auf dem Feld der Ehre gefallenen Soldaten“ gehalten. Pfarrer Dr. Schräder schrieb Trostbriefe an die Eltern der Gefallenen, in denen er 1942 noch vom „Heldentod“ spricht, eine Vokabel, die er in späteren Zeugnissen großer Anteilnahme gänzlich vermeidet.

Bei aller Bedrohung durch den Krieg und seine Folgen versuchte der Schweriner Pfarrer stets, der Gemeinde ein Gefühl von geschichtlicher Kontinuität zu vermitteln, die über die gerade erlebte, schreckliche Ära hinaustragen würde. Das 150jährige Jubiläum der Kirchweihe von St. Anna fiel gerade in das Ende der Kriegszeit.  Jedoch war zum Kirchweihtag im März 1945 die Lage bereits so schwierig, dass der Osnabrücker Bischof seine Teilnahme absagte. In der ersten Aprilhälfte 1945 fand dann doch noch die geplante religiöse Woche in Schwerin statt. Im Chaos der letzten Kriegstage gab Pfarrer Dr. Schräder in abendlichen Predigten seiner Gemeinde Halt und Zuversicht. An das große Jubiläum der Schweriner Katholiken wurde am Ende dieser Woche nur in einer feierlichen Schlussandacht erinnert.

(Zu den Zitaten und Quellenhinweisen siehe in: Chronik der katholischen Gemeinden in Mecklenburg von 1709 bis 1961, Schwerin 2006, sowie in: Beiträge und Mitteilungen des Vereins für katholische Kirchengeschichte in Hamburg und Schleswig-Holstein e.V., Band 8, S. 138 – 168. )